Die fatale Rolle der T-Zellen bei COVID-19
Berlin Institute of Health in der Charité (BIH)
Wissenschaftler*innen vom Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) haben gemeinsam mit Kolleg*innen von der Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie der Universitätskliniken in Bonn und Aachen bei schwer erkrankten COVID-19-Patient*innen eine besonders aktive Form von Immunzellen gefunden. Die CD16-positiven T-Zellen wirken verstärkt zytotoxisch, unter anderem auf die innere Zellschicht von Blutgefäßen. Gemeinsam mit Faktoren des Komplementsystems ist ihre Anwesenheit mit einem besonders fatalen Verlauf der Krankheit verbunden. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler*innen soeben in der Fachzeitschrift Cell veröffentlicht.
Es gilt mittlerweile als gesichert, dass bei schweren Verläufen von COVID-19 das fehlgeleitete Immunsystem eine wichtige Rolle spielt: Überaktive Immunzellen greifen körpereigenes Gewebe an und zerstören es, auch wenn die eigentliche Virusinfektion bereits eingedämmt oder sogar überstanden ist.Professorin Birgit Sawitzki, Leiterin der Abteilung Translationale Immunologie am BIH, interessiert sich insbesondere für die Rolle der T-Zellen bei der Infektion mit dem Sars-CoV-2-Virus. „Die T-Zellen sind die Dirigenten des ganzen Orchesters aus Immunbotenstoffen und -zellen“, erklärt sie. „Die T-Helferzellen ermöglichen es, eine gezielte Abwehr mit maßgeschneiderten Antikörpern zu entwickeln, die T-Killerzellen töten zielgerichtet befallene Körperzellen ab, und die regulatorischen T-Zellen sorgen dafür, dass das Ganze nicht aus dem Ruder läuft. Leider sind es wohl auch bestimmte T-Zellen, die für einen besonders schweren Krankheitsverlauf von COVID-19 verantwortlich sind.“
Sicherheitsmechanismus außer Kraft gesetzt
„Wir wussten, dass sich bei einer SARS-CoV-2-Infektion T-Zellen vermehren, die das Spike-Protein spezifisch erkennen und darauf reagieren. Und zwar auch bei Patient*innen, die einen schweren Krankheitsverlauf entwickeln. Der schwere Krankheitsverlauf liegt also offenbar nicht an einer zu schwachen Immunantwort“, erklärt der Erstautor der aktuellen Arbeit Philipp Georg, Doktorand an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité bei Prof. Dr. Leif Erik Sander, der ebenfalls zentral an der Studie beteiligt war und unter anderem den klinischen Teil der Studie leitete. Um herauszufinden, welche Rolle die T-Zellen bei COVID-19 spielen, untersuchten die Wissenschaftler*innen mithilfe von Einzelzellanalysen das Blut von COVID-19-Patient*innen mit mildem bzw. schwerem Verlauf und verglichen es mit dem Blut von gesunden Probanden sowie von Patient*innen mit anderen Virusinfektionen. Dabei entdeckten sie bei den schwer an COVID-19 erkrankten Menschen T-Zellen, die auf ihrer Oberfläche das Molekül CD16 trugen. „Das hat uns Immunologen erstaunt“, berichtet Birgit Sawitzki, „denn CD16 erwartet man eigentlich auf Zellen des angeborenen Immunsystems, wie Natürlichen Killerzellen oder Monozyten, aber nicht auf T-Zellen, die zum erworbenen, also spezifischen Immunsystem gehören.“
CD16 hilft den Zellen des angeborenen Immunsystems dabei, virusbefallene Körperzellen zu erkennen und abzutöten. Das Molekül erkennt Antikörper, die an virusbefallene Zellen gebunden sind, und regt daraufhin die Immunzellen an, zytolytische Enzyme freizusetzen, was die virusbefallenen Zellen abtötet. T-Zellen brauchen diese Hilfe eigentlich nicht. „T-Zellen erkennen die virusbefallenen Zellen mit ihrem T-Zell-Rezeptor, der spezifisch an präsentierte Virusbestandteile bindet und dadurch die T-Zelle dazu anregt, die Zielzelle abzutöten. Eine zusätzliche Aktivierung durch CD16, unabhängig vom T-Zellrezeptor, kann die zerstörerische Funktion der T-Zellen deutlich steigern“, erklärt Birgit Sawitzki. „Das ist gefährlich, denn die T-Zellen haben eigentlich einen Sicherheitsmechanismus eingebaut: Mit ihrem T-Zellrezeptor erkennen sie fremde Eiweißbausteine, ihre Aktivität richtet sich daher nur gegen befallene oder veränderte Körperzellen. Die Aktivierung über CD16 setzt diesen Sicherheitsmechanismus außer Kraft, und so können auch nicht infizierte Gefäßzellen angegriffen werden.
Zusammenhang mit Komplementsystem
In Laborexperimenten beobachteten die Forscher*innen, dass die CD16-positiven T-Zellen bei Kontakt mit Antikörpern zytotoxische Moleküle freisetzten und Lungengefäßzellen schädigten. Zusammen mit Forschern aus Aachen entdeckten sie in den Lungen verstorbener COVID-19-Patient*innen ebenfalls CD16-positive T-Zellen. „Das bestätigte unseren Verdacht, dass diese Zellen eine fatale Rolle im Verlauf der COVID-19-Erkrankung spielen“, erklärt Rosario Astaburuaga Garcia, ebenfalls Erstautorin und Doktorandin bei Nils Blüthgen vom Institut für Pathologie der Charité und dem Integrative Research Institute Life Sciences der Humboldt-Universität zu Berlin. „Überrascht hat uns die Tatsache, dass bei Menschen mit anderen schweren Infektionen, wie HIV oder Hepatitis, die aktivierten CD16-positiven T-Zellen nicht auftreten.“
Bei der Suche nach dem Ursprung der CD16-positiven T-Zellen stießen die Wissenschaftler*innen auf das so genannte Komplementsystem: Hierzu gehören mehr als 30 Proteine, die im Blutplasma gelöst sind und ebenfalls der Abwehr von Mikroorganismen dienen. Sie werden im Verlauf der Immunantwort über verschiedene Mechanismen, zum Beispiel durch gebundene Antikörper aktiviert und führen zur Zerstörung von befallenen Zellen. „Wir haben herausgefunden, dass bestimmte Komponenten dieses Systems vermehrt in Patienten mit schwerem Verlauf von COVID-19 gebildet werden und zur Entstehung der CD16-positiven T-Zellen beitragen. Hier scheinen wir einen neuen, wichtigen Zusammenhang aufgedeckt haben“, vermutet Birgit Sawitzki. „Sollte sich dieser Zusammenhang bestätigen, könnte die Hemmung des Komplementsystems möglicherweise dazu beitragen, schwere Verläufe zu minimieren.“ Genau diese Möglichkeit wollen die Wissenschaftler*innen nun weiterverfolgen.
Die Arbeiten wurden unter anderem durch das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) „COVIM“ AP4 unterstützt.
Originalpublikation: P.Georg, R.Astaburuaga-Garcia,…..and B.Sawitzki: „Complement activation induces excessive T cell cytotoxicity in severe COVID-19“; Cell, DOI: 10.1016/j.cell.2021.12.040
Seltene Erkrankung „PNH“ immer besser behandelbar
Es war 1882: In diesem Jahr wurde die Paroxysmale Nächtliche Hämoglobinurie (PNH) zum ersten Mal von einem deutschen Arzt beschrieben. Es ist eine chronisch-fortschreitende, seltene Bluterkrankung, von der weniger als 20 Menschen unter einer Million betroffen sind. Blutarmut, Blutgerinnsel, Nierenfunktionsstörungen: Die möglichen Folgen können tödlich sein. Doch in der Therapie hat sich viel getan. Dr. Janna Arnold, Director Medical Affairs Hematology/Nephrology vom forschenden Pharma-Unternehmen Alexion, nimmt uns mit auf eine medizinische Zeitreise: Wie sieht die Behandlung der Betroffenen HEUTE aus, wie war das GESTERN und was erhofft Arnold sich für das ÜBERMORGEN?
Wo stehen wir HEUTE in der Therapie von PNH?
Dr. Janna Arnold, Senior Director, Medical Affairs bei Alexion, Astra Zeneca Rare Disease. Foto: Alexion
Dr. Janna Arnold: Heute wissen wir: Die Ursache der PNH ist eine erworbene Genmutation, die letztlich dazu führt, dass das Komplementsystem, ein Teil des angeborenen Immunsystems, die Zerstörung der eigenen, primär roten Blutkörperchen auslöst. Durch dieses Wissen konnten Medikamente erforscht und entwickelt werden, die in genau diesen Prozess eingreifen. Seit 2007 steht als erste spezifische medikamentöse Therapie ein sogenannter Komplementinhibitor zur Verfügung – ein Durchbruch in der Behandlung dieser schweren Erkrankung. Dieser monoklonale Antikörper bindet gezielt an ein bestimmtes Protein des Komplementsystems, um es zu hemmen, und kann so die Zerstörung der roten Blutkörperchen stoppen und die damit einhergehenden Krankheitssymptome reduzieren. Unter Behandlung können Betroffene heute eine annähernd normale Lebenserwartung, weniger klinische Symptome und eine deutlich verbesserte Lebensqualität haben. Inzwischen gibt es einen weiteren zugelassenen Komplementinhibitor, der über einen wesentlich längeren Zeitraum wirkt. Das heißt: Die Patienten erhalten nicht wie bisher alle zwei Wochen eine Infusion, sondern nur noch alle acht Wochen – eine große Erleichterung im Alltag.
Kommen wir zum GESTERN: Wie war die Behandlung von PNH in der Vergangenheit?
Arnold: Fast 140 Jahre ist es her, dass das Krankheitsbild der PNH erstmals von einem deutschen Arzt beschrieben wurde. Die genaue Ursache und die Entstehungsprozesse der Erkrankung waren damals noch nicht bekannt. Erst in den 1970er-Jahren begann die Erforschung des Komplementsystems auf molekularer Ebene. Bis zur Zulassung der Komplementinhibitoren lag der Fokus rein auf der Behandlung der Symptome – etwa in Form von Bluttransfusionen. Damals verlief die Erkrankung häufig sehr schwer. Mit heutiger Komplementinhibition können Patienten eine normale Lebenserwartung erzielen – vergleichbar mit Gesunden.
Werfen wir einen Blick auf das ÜBERMORGEN: Wie lässt sich die Behandlung der Betroffenen in Zukunft weiter verbessern?
Arnold: Zum einen geht es darum, die bereits verfügbaren Therapieoptionen weiterzuentwickeln. Ein Beispiel: Aktuell werden die monoklonalen Antikörper über intravenöse Infusionen gegeben. Wir arbeiten daran, dass eine Gabe über eine subkutane Injektion möglich wird. Dann könnten sich die Betroffenen das Arzneimittel selbst flexibel verabreichen. Die Hoffnung: ein noch größeres Maß an Flexibilitat und Lebensqualität. Zum anderen forschen wir an neuen Wirkstoffkandidaten: Denn es gibt nach wie vor einen großen medizinischen Bedarf – etwa, wenn Menschen nicht ausreichend auf die verfügbaren Behandlungsoptionen ansprechen. Daher werden Therapieansätze untersucht, die ganz neue Wirkmechanismen im Kampf gegen PNH verfolgen.
Der Beitrag wurde übernommen am 7, Jan. 2022 von
https://www.pharma-fakten.de/news/details/1180-seltene-erkrankung-pnh-immer-besser-behandelbar/
Jahrestagung der DGIM findet als Hybrid-Kongress statt
128. Kongress der DGIM: Internisten tagen unter dem Motto „Die Grenzen der Inneren Medizin“
Nach einem pandemiebedingt abgesagten Kongress in 2020 und einem ausschließlich digital abgehaltenen Kongress in 2021 findet die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) im Frühjahr wieder als Präsenzveranstaltung statt. Vom Tagungsort im Wiesbadener Rhein-Main-Congress-Center aus werden Vorträge auch auf der Kongressplattform gestreamt und stehen im Nachgang on demand zur Verfügung. Für dieses Hybrid-Format haben sich die Organisatoren nicht zuletzt aufgrund des überragenden Erfolgs des letztjährigen Online-Kongresses entschieden, bei dem eine Rekordzahl von über 9000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern erreicht wurde. Die Jahrestagung findet vom 30. April bis 03. Mai 2022 statt.
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Die Schwerpunktthemen des Kongresses im Einzelnen sind:
Grenzen ärztlichen Handelns – Was kann die Medizin, was kann die oder der Einzelne leisten? Welche Rolle spielen Überlastung und Resilienz heute?
Ethische Grenzen – Welche medizinischen Maßnahmen können oder sollten gerade am Lebensende noch ergriffen werden? Was entspricht dem Patientenwillen, was wirkt sich tatsächlich auf die Lebensqualität aus?
Medizinische Grenzen – Was ist medizinisch möglich und welchen Preis ist die Gesellschaft bereit, dafür zu zahlen?
Überwindung von Grenzen – Der (medizinisch-)technische Fortschritt verschiebt die Grenzen des Machbaren immer weiter. Zu den Durchbrüchen der letzten Jahre zählen u.a. neue Herzklappen, mRNA- und Antikörper-basierte Therapeutika, aber auch der zunehmende Einsatz der Telemedizin.
Grenzen zwischen der Inneren Medizin und anderen Fachgebieten – sind nicht in Stein gemeißelt: Sie sind fließend, unscharf, verschieben sich stetig und sollten für interdisziplinäre Kooperationen immer offen sein. Wie ist der Status quo?
Nicht überwundene Grenzen – Wie kann die Umsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die klinische Praxis – etwa bei der personalisierten Medizin – besser und schneller gelingen? Welchen Weg haben wir bei der Digitalisierung noch vor uns?
Das ausführliche Programm wird in Kürze auf der Kongress-Website der DGIM unter https://kongress.dgim.de und vor dem Kongressstart in der DGIM App (kostenfrei erhältlich im Google Play Store und im App Store) einsehbar sein. Ab sofort ist zudem die Teilnehmer-Anmeldung für den Kongress möglich – bis Mitte Februar zu ermäßigten Konditionen. Der Kongress ist als 2G-Veranstaltung geplant.
Pressemitteilung online: www.dgim.de/pm-hybridkongress
Terminhinweise:
128. Kongress der DGIM – Hybridkongress
Termin: 30. April bis 3. Mai 2022
Ort: RheinMain Congress Center in Wiesbaden und online
Patiententag
Termin: 30. April 2022 von 09:30 bis 16:00 Uhr
Ort: Rathaus Wiesbaden und online
Infos unter: Patiententag | DGIM