Gastgeber mit Haltung: Matthias Ganter

Zwischen Jugendstilarchitektur, Moselromantik und historischem Weinbau wird in Traben-Trarbach ein neues Kapitel regionaler Gastlichkeit geschrieben. Einer, der diese Entwicklung wie kein zweiter prägt, ist Matthias Ganter. Der Unternehmer und Hotelier investierte zuletzt in das Moselschlösschen Spa & Resort – nun ist mit dem Nachbarhotel das legendäre Romantik Jugendstilhotel Bellevue an der Reihe. Geplant ist eine behutsame Revitalisierung – ohne dass das Haus seinen Charakter verliert. Matthias Ganter ist ein Macher und Gastgeber mit Haltung. Anzug, Amphicar und Arbeitsschuhe lassen ihn gleichermaßen souverän auftreten. Im Interview spricht er über Unternehmergeist, den Wert lokaler Verbundenheit und den Mut, sich auf dem Land selbstständig zu machen.

Herr Ganter, Sie sind einer der prägenden Köpfe an der Mosel – und investieren seit Jahren konsequent in Ihre Häuser. Was treibt Sie an?
Ich bin nicht mit dem goldenen Löffel aufgewachsen und war daher auch nie jemand, der mit der Gießkanne investiert hat. Aber ich habe immer daran geglaubt, dass man auch in kleinen Orten große Geschichten schreiben kann – wenn man es richtig macht. Ich bin überzeugt: Preiskampf findet nur dort statt, wo nichts Besonderes ist. Ich wollte etwas Besonderes schaffen – und das ist mir, glaube ich, gelungen. Ich habe Traben-Trarbach vor über 30 Jahren zu meiner Lebensaufgabe gemacht. 1992 habe ich das Bellevue gepachtet – und bin seither Schritt für Schritt gegangen. In erster Linie sehe ich mich als Hotelier und Gastgeber, schließlich bin ich in einem Landgasthof aufgewachsen. Mein Treiber war nie das Geld, sondern immer der Kreis an Menschen, der mich umgibt. Als Hotelier ist es wichtig, herzliche und zufriedene Mitarbeiter zu haben. Denn sie sorgen dafür, dass die Gäste im Hotel glücklich sind.
Traben-Trarbach – das klingt für manche nach Kurstadt-Charme vergangener Tage. Für Sie nicht?
Ganz im Gegenteil! Ich habe früh erkannt, dass Traben-Trarbach eine echte Perle ist. Die Stadt hat Substanz, Geschichte und Potenzial. Mein Ziel war es nie, gleich mehrere Hotels zu besitzen. Ich wollte von Beginn an ein Gegengewicht zu den günstigen, beliebigen Angeboten an der Mosel schaffen. Ein eigenes Profil. Der Tourismus der 1980er und 90er Jahre war hier ähnlich wie in Rüdesheim von günstigen Busreisen geprägt. Zu viel Wein, zu wenig Klasse. Heute gibt es hier großartige Restaurants, zeitgemäße Weinbars, lebendige Strukturen – und ich freue mich, dass ich mit meiner Arbeit auch einen Anstoß dafür geben konnte. Als ich anfing, war ich der erste Hotelier an der Mosel, der das ganze Jahr geöffnet hatte. Damals haben viele gelacht. Aber ich wusste: Wer auch im Winter Gäste empfängt, bekommt besseres Personal, loyalere Gäste und bleibt am Markt. Diese Entscheidung war sicherlich mutig, aber genau richtig, wie es sich im Nachhinein herausgestellt hat.
Was macht das Romantik Jugendstilhotel Bellevue für sie so besonders?
Es ist ein einzigartiges Haus. Direkt am Wasser, mit dem fantastischen Charme der Belle Époque. Es wurde 1903 von Bruno Möhring entworfen – und ist das einzige Jugendstilhotel in Deutschland, das wirklich im Originalzustand erhalten geblieben ist. Genau deshalb investieren wir jetzt noch einmal gezielt – aber mit Gefühl. Wir wollen das Bellevue sanft revitalisieren, ihm ein modernes Facelift geben, ohne seinen Charakter zu zerstören.
Was bedeutet Ihnen das Thema „Werterhaltung“ generell?
Der Erhalt historischer Bausubstanz ist für mich ein echter Wert. Wir haben in den letzten Jahren über 20 Häuser in Traben-Trarbach saniert. Ich sehe es als meine Verantwortung, historische Substanz zu bewahren – nicht aus Nostalgie, sondern weil sie die DNA unserer Region ist. Dafür haben wir sogar eine eigene Baufirma gegründet: Historical Buildings. Dort arbeiten Menschen, die sich auf die Revitalisierung alter Gebäude spezialisiert haben. Eine unserer Malerinnen beherrscht noch traditionelle Techniken und restauriert Möbel. Ich kann es nicht ertragen, Dinge wegzuwerfen, die noch funktionieren – wir haben zwei riesige Lager voll mit Kunst, Artefakten und Möbeln. Ein Fundus voller Zeitzeugen, die alle ihre eigenen Geschichten erzählen.

Wie definieren Sie moderne Gastlichkeit im Bellevue?
Herzlich, aber nicht anbiedernd. Authentisch, aber nicht provinziell. Wir pflegen einen respektvollen Umgang mit unseren Gästen – auf Augenhöhe. Unsere Mitarbeiter sind echt. Das ist mir wichtig. Keine Show, kein Getue. Wir setzen auf Qualität – bei den Produkten, in der Küche, beim Service. Frisch, hochwertig, aber nicht trendy um jeden Preis. Das würde nicht zu uns passen. Wer zu uns kommt, soll sich aufgehoben fühlen. Und nach der Reise idealerweise sogar inspiriert in den Alltag zurückkehren.
Und dabei helfen Sie selbst mit – auch mal ganz unkonventionell...
Ja, ich glaube, ich bin in gewisser Weise Teil des Erlebnisses. Viele unserer Stammgäste kenne ich seit Jahren. Ich fahre mit Gästen gerne im Amphicar über die Mosel oder erzähle bei einer Flasche Wein, was es an der Mosel zu entdecken gibt. Das ist für mich moderne Gastlichkeit: eine Verbindung von Tradition, Erleben und echter Präsenz.
Was wünschen Sie sich von Politik und Tourismusverantwortlichen?
Mehr Mut. Mehr Verständnis für Qualität. Viele Tourismusstrukturen sind zu schwerfällig, zu bürokratisch und einfach zu wenig im Thema. Häufig sitzen in den Tourismusbüros Geologen anstelle von Reise-Experten. In Traben-Trarbach haben wir zum Glück eine sehr kompetente Hotelexpertin als Ansprechpartnerin. Grundsätzlich fehlen uns an der Mosel aus meiner Sicht schlüssige Konzepte für hochwertigen Oenotourismus. Ein durchdachtes und kuratiertes Reiseprogramm: Drei Top-Weingüter pro Tag, eine Wanderung durch die Weinberge, ein gutes Restaurant. Das gibt es so noch nicht. Eine Marktlücke für junge Reiseunternehmer!
Sie sind kein Investor im klassischen Sinn – sondern ein Unternehmer mit Herz. Wie begegnen Sie heute jungen Unternehmern?
Ich habe schon viele junge Menschen dazu ermutigt, sich selbstständig zu machen. Mir ist es wichtig, dass es bei uns eine vielfältige Gastronomie gibt. Jede neue Gastronomie ist für mich und für die Region ein Geschenk. Als alter Hase im Geschäft ist es doch selbstverständlich, dass ich junge Unternehmer, die mutig und beherzt zu Werke gehen, unterstütze. Sei es finanziell, beratend oder mit meinen Immobilien. Zwei meiner Hotelimmobilien betreiben mittlerweile ehemalige Mitarbeiter auf selbstständiger Basis – das ist doch großartig!
Was würden Sie jungen Menschen raten, die heute an der Mosel durchstarten wollen?
Früh anfangen. Diszipliniert bleiben. Fleißig sein. Und Schulden nicht fürchten. Wer an der Mosel investieren will, muss mutig sein. Es gibt aktuell einige Betriebe, die man günstig übernehmen könnte. Aber man braucht Durchhaltevermögen. Wer jeden Tag an sich arbeitet, bodenständig bleibt und seine Gäste liebt, der hat hier jede Chance.
Herr Ganter, eine letzte Frage: Wie fühlt es sich an, mit Ihren Häusern das Bild einer ganzen Region mitzuprägen?
Demütig. Ich sehe mich als Verwalter auf Zeit. Wir sind alle nur auf der Durchreise. Aber wenn ich etwas hinterlassen kann, das bleibt – ein Haus, eine Atmosphäre, eine Erinnerung – dann war es die Reise wert.
Text: Steven Buttlar
Fotos: Moselschlösschen