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durch Klaus Lenser

Corona-Sonderregeln, E-Patientenakte, Pflegereform: Das ändert sich 2022 im Gesundheitsbereich
Stiftung Gesundheitswissen gibt Überblick über die Neuerungen im kommenden Jahr

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens schreitet voran: Die elektronische Patientenakte bekommt mehr Funktionen, der „gelbe Schein“ wird weiter digitalisiert. Ab Januar tritt zudem die Pflegereform in Kraft und es könnte sein, dass Cannabis bald legal verkauft werden darf. Ein Überblick, was sich 2022 für Sie im Gesundheitsbereich ändert.

Corona-Sonderregeln verlängert

Noch immer hat uns die Corona-Pandemie fest im Griff. Daher hat das Bundesministerium für Gesundheit die pandemiebedingte Sonderregelung verlängert:

  • Das Kinderkrankengeld kann auch 2022 je versichertem Kind grundsätzlich für 30 statt 10 Tage in Anspruch genommen werden. Alleinerziehende haben Anspruch auf 60 statt 20 Tage.

  • Die Regelungen zur finanziellen Entlastung von Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen gelten bis zum 31. März. Die Zahlung des Pflegeunterstützungsgeldes wird wegen der Pandemie von zehn auf 20 Arbeitstage verlängert. Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 können den Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro monatlich auch für Hilfen außerhalb der geltenden Regelung einsetzen, um so Corona-bedingte Versorgungsengpässe auszugleichen. Und eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst, um die Pflegebedürftigkeit festzustellen, kann ohne Untersuchungen des Versicherten in seinem Wohnbereich erfolgen. Die Einstufung erfolgt dann nach Aktenlage und einer telefonischen Befragung.

  • Auch die geltenden Sonderregeln in der ambulanten ärztlichen Versorgung werden im Zuge der vierten Infektionswelle bis zum 31. März verlängert. Dazu zählen eine telefonische Krankschreibung bis zu sieben Kalendertagen bei Erkältungssymptomen oder das vermehrte Angebot an Video-Sprechstunden.

  • Krankenhausärztinnen und -ärzte können eine Arbeitsunfähigkeit für eine Dauer von bis 14 Kalendertagen nach Entlassung aus dem Krankenhaus bescheinigen. Die Regelung tritt am 31. Mai außer Kraft.

Mehr Informationen: https://www.g-ba.de/service/sonderregelungen-corona/

Online zum Arzt

Welche Ärzte Videosprechstunden anbieten dürfen, wie Patientinnen und Patienten davon profitieren und wie der digitale Arztbesuch abläuft, erfahren Sie hier: https://ots.de/NGEReZ

Corona-Impfpflicht für besondere Berufsgruppen ab März

Die neue Bundesregierung hat kurz nach ihrem Amtsantritt ein neues Impfpräventionsgesetz beschlossen. Das Gesetz sieht erstmals auch eine Corona-Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen vor: für das Personal von Arztpraxen, Kliniken, Rettungsdiensten, Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen, in denen Menschen mit Behinderungen betreut werden sowie sozialpädagogische Zentren. Die Impfpflicht soll ab dem 15. März gelten. Konkret heißt das: Personen, die z. B. in Arztpraxen und Zahnarztpraxen, Krankenhäusern oder Pflegeheimen tätig sind, müssen bis zum 15. März 2022 entweder geimpft oder genesen (im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung) sein. Ausgenommen sind Personen, die auf Grund medizinischer Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können.

Sozialversicherungsbeiträge bleiben stabil

Damit die Sozialversicherungsbeiträge nicht steigen, hat der Bund eine zusätzliche Milliardenhilfe beschlossen. Die gesetzlichen Krankenversicherungen bekommen, umgesetzt über einen Zuschuss an den Gesundheitsfonds, 2022 einen ergänzenden Zuschuss von 14 Milliarden Euro. So sollen die Zusatzbeiträge der Versicherten bei durchschnittlich 1,3 Prozent bleiben. Insgesamt erhält die gesetzliche Krankenversicherung damit im kommenden Jahr 28,5 Milliarden Euro aus Steuermitteln.

Beitragsbemessungsgrenze bleibt ebenfalls stabil

Die Beitragsbemessungsgrenze bleibt auf dem Niveau von 2021. Sie ist die maßgebende Rechengröße für die Sozialversicherung und wird entsprechend der Entwicklung der Löhne und Gehälter jährlich angepasst. Dadurch ändern sich die Einkommensgrenzen, von denen oder bis zu denen Beiträge zu zahlen sind. In den letzten Jahren wurde diese meist erhöht. Das ist diesmal anders. Ab dem 1. Januar 2022 beträgt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unverändert 58.050 Euro im Jahr. Die Versicherungspflichtgrenze in der GKV liegt unverändert bei 64.350 Euro brutto im Jahr. Wer mehr als diesen Betrag verdient, kann sich privat krankenversichern lassen.

Der „gelbe Schein“ wird weiter digitalisiert

Die gelben Zettel, die die Ärztin oder der Arzt bei einer Krankschreibung gesetzlich Versicherten ausstellt, sollen allmählich weniger werden. Seit dem 1. Oktober übermitteln Ärzte die Krankmeldungen bereits digital an die gesetzlichen Krankenkassen. Dass auch der Arbeitgeber von der Krankmeldung erfährt, dafür sind bislang noch die Angestellten selbst zuständig. Doch nicht mehr lange: Ab dem 1. Juli 2022 sollen die gesetzlichen Krankenkassen die Krankmeldungen auch den Arbeitgebern digital zur Verfügung stellen. Damit wird der „gelbe Schein“ Stück für Stück digitalisiert. Er verschwindet aber nicht ganz: Die Ärzte sind verpflichtet, den Patientinnen und Patienten ein Belegexemplar auszustellen.

Elektronische Patientenakte bekommt mehr Funktionen

Arztberichte, Befunde, Röntgenbilder – all dies kann theoretisch bereits seit einem Jahr in der elektronischen Patientenakte (ePA) hinterlegt werden. Ab Januar sollen auch der Impfausweis, das gelbe U-Heft für Kinder, das Zahnbonus-Heft und der Mutterpass in der ePA gespeichert werden können. Versicherte bekommen die Möglichkeit, über ihr Smartphone oder Tablet für jedes in der ePA gespeicherte Dokument einzeln zu bestimmen, wer darauf zugreifen kann. Bei einem Krankenkassenwechsel können Patienten ihre Daten aus der ePA übertragen lassen. Der Gebrauch der elektronischen Patientenakte bleibt freiwillig. Zu Beginn des Jahres 2022 werden auch die ersten privaten Krankenversicherungen die elektronische Patientenakte anbieten. Sie hatten mit dem Start auf die wesentlich umfangreicheren Funktionen und die deutlich präziseren Datenschutz-Regeln gewartet.

Die elektronische Patientenakte (ePA)

Wie man als Patient an eine solche Akte kommt, welche Vorteile sie bringen kann und wie man die Kontrolle über seine Daten behält, erfahren Sie hier: https://ots.de/RrFORT

Pflegereform tritt in Kraft

Die große Koalition hat sich vor der Bundestagswahl auf eine Pflegereform geeinigt. Demnach wird die Pflegeversicherung ab 2022 vom Bund mit einer Milliarde Euro jährlich bezuschusst. Des Weiteren wird der Beitragszuschlag für Kinderlose um 0,1 Prozentpunkte angehoben. Dadurch würde die Pflegeversicherung laut Bundesgesundheitsministerium zusätzlich 400 Millionen Euro pro Jahr erhalten. Damit Pflegebedürftige von steigenden Kosten nicht überfordert werden, zahlt die Pflegeversicherung bei der Versorgung im Pflegeheim künftig einen Zuschlag. Dieser soll mit der Dauer der Pflege steigen: Im ersten Jahr trägt die Pflegekasse 5 Prozent des Eigenanteils, im zweiten Jahr 25 Prozent, im dritten Jahr 45 Prozent und danach 70 Prozent. Außerdem werden in der ambulanten Pflege die Sachleistungsbeträge um 5 Prozent erhöht und der Leistungsbetrag der Pflegeversicherung zur Kurzzeitpflege wird um 10 Prozent angehoben. Ab dem 1. September 2022 sollen zudem nur noch Pflegeeinrichtungen zur Versorgung zugelassen werden, die ihre Pflege- und Betreuungskräfte nach Tarif bezahlen. Ein bundeseinheitlicher Personalschlüssel soll die Einstellungen zusätzlicher Pflegekräfte erleichtern und so dem Mangel an Pflegekräften entgegenwirken.

Kontrollierter Cannabis-Verkauf?

Die Parteien der Ampel-Koalitionen wollen den Verkauf von Cannabis zu Genusszwecken legalisieren. Darauf hatte sich im November die Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege der Koalition geeinigt. Geplant ist eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in lizenzierten Geschäften. So solle die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet werden. Wann die Legalisierung umgesetzt werden soll, steht allerdings noch aus. Unter Medizinern ist die Legalisierung umstritten. Zu den möglichen Risiken gehören Psychosen, Störungen des Bewusstseins und der kognitiven Fähigkeiten, klare Einschränkungen der Aufmerksamkeit und der Psychomotorik.

Mehr Aufklärung über Organspende

Mehr als 9000 Menschen warten in Deutschland laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation auf eine Organspende. Die meisten davon brauchen eine Niere. Die Zahl der Menschen, die einen Organspende-Ausweis besitzen, ist in den vergangenen Jahren zwar gestiegen. Dennoch wissen noch immer nicht genügend Menschen über das Thema Organspende Bescheid. Hausärztinnen und Hausärzte kommt deshalb eine aktivere Rolle bei der Aufklärung über die Organspende zu. Ab März 2022 sollen sie ihre Patienten alle zwei Jahre über die Organ- und Gewebespende informieren. Das sieht das Gesetz „zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“ vor, dass der Bundestag im Januar 2020 verabschiedet hatte. Ab März soll zudem ein neues Organspende-Register an den Start gehen. Dort soll dann eine Spendererklärung auch elektronisch abgegeben oder widerrufen werden können.

Fragen und Antworten zur Organspende

Wie erhält man einen Organspende-Ausweis? Unter welchen Voraussetzungen dürfen Ärzte Organe entnehmen? Und wer entscheidet, wenn der Wille des potenziellen Spenders unbekannt ist? Diese Fragen beantworten wir hier: https://ots.de/SuunUp

Tattoo-Farben verboten

Ab Januar tritt eine neue EU-Verordnung für Tattoo-Farben in Kraft. Mehr als 4000 chemische Stoffe, die für Tattoo-Tinte und Permanent-Make-up verwendet werden, sind dann verboten. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) sieht in den Chemikalien ein Gesundheitsrisiko. Sie können Hautallergien und andere schwerwiegendere Auswirkungen auf die Gesundheit wie genetische Mutationen und Krebs verursachen, schreibt die ECHA. Das Verbot ist in der sogenannten Reach-Verordnung festgehalten. „Reach“ steht für Registrierung, Evaluierung und Autorisierung von Chemikalien. Etwa 12 Prozent der Menschen in Europa haben ein Tattoo. Studien darüber, wie groß das Gesundheitsrisiko durch die chemischen Substanzen in den Farben tatsächlich ist, gibt es bisher nicht.

Verschoben: Elektronisches Rezept

Ursprünglich sollte das elektronische Rezept ab Januar 2022 Pflicht werden. Die Einführung wurde Ende Dezember jedoch verschoben. Das teilte das Bundesministerium für Gesundheit in einem Schreiben den anderen Gesellschaftern der gematik GmbH mit. Darin heißt es, dass die erforderlichen technischen Systeme noch nicht flächendeckend zur Verfügung stehen würden. Die Testphase für das E-Rezept soll daher verlängert werden. Zukünftig sollen Ärzte gesetzlich versicherten Patientinnen und Patienten Rezepte nur noch digital ausstellen. Versicherte, die kein elektronisches Rezept wünschen, können aber auch weiterhin einen Papierausdruck des E-Rezepts erhalten.

Die App „E-Rezept“

  • Die App „E-Rezept“kann auch in der Testphase kostenlos in den App-Stores heruntergeladen werden (https://www.das-e-rezept-fuer-deutschland.de/app).

  • Technische Voraussetzungen ist ein NFC-fähiges Smartphone mit mindestens iOS 14 oder Android 7.

  • Für die Anmeldung in der App ist eine elektronische Gesundheitskarte notwendig und die dazugehörige PIN. Wer keine Gesundheitskarte hat oder den PIN nicht mehr weiß, kann beides bei seiner Krankenkasse anfordern.

  • Mit Hilfe eines QR-Codes kann das Rezept per App oder Ausdruck in der Apotheke eingelöst werden. In der App sind auch Informationen zum Medikament und Hinweise zur Einnahme und Dosierung hinterlegt.

Mehr Informationen: https://www.g-ba.de/service/sonderregelungen-corona/


 

Schilddrüsenknoten bei Kindern operieren?! Ultraschall-Elastographie gibt Auskunft
DEGUM-Experten empfehlen schmerzfreies Verfahren als Alternative zur nuklearmedizinischen Untersuchung und zur Feinnadelpunktion

Etwa 55.000 Kinder bis 15 Jahre haben in Deutschland Schilddrüsenknoten. Wenn Eltern diese ertasten, sind die Sorgen oft groß: Ist der Knoten gut- oder bösartig? Was ist zu tun? Nach den üblichen ersten Untersuchungen – also dem Tastbefund, einer Ultraschalldiagnostik sowie nach der Bestimmung der Schilddrüsenwerte (TSH, fT3, fT4) und der Tumormarker Calcitonin– empfehlen Experten der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e. V. (DEGUM) den Einsatz der Ultraschall-Elastographie. Mit dieser Methode kann rasch und mit hoher Sicherheit abgeklärt werden, ob das sensible „Schmetterlingsorgan“ punktiert oder operiert werden muss. Im Vergleich zu anderen Verfahren hat die Elastographie zahlreiche Vorteile, denn sie ist im Gegensatz zur nuklearmedizinischen Untersuchung (Szintigraphie) komplett strahlenfrei und im Vergleich zur Feinnadelpunktion für die kleinen Patientinnen und Patienten schmerzfrei.

„Deutschland ist Weltmeister im Operieren von Schilddrüsenknoten“, betont DEGUM-Experte Professor Dr. med. Jörg Bojunga, Leiter des Schwerpunktes Endokrinologie und Diabetologie des Universitätsklinikums Frankfurt. „Dabei wären zahlreiche Eingriffe vermeidbar, denn eine qualitativ hochwertige Diagnostik – nämlich eine Ultraschalluntersuchung inklusive Elastographie – kann innerhalb von wenigen Minuten häufig Klarheit bringen.“ Im Vergleich zur Feinnadelpunktion, bei der Eltern oft tagelang voller Sorge auf das Untersuchungsergebnis warten müssen, liegt das Ergebnis der Elastographie unmittelbar vor. Weitere Schritte können demzufolge also direkt besprochen werden.

Ein weiterer Vorteil der Elastographie: auch wenn sie die Feinnadelpunktion nicht ersetzt, so ist mittels Elastographie eine deutlich bessere und genauere Eingrenzung von Knoten für die weitere Diagnostik möglich. Die Elastographie hilft damit, unnötige Feinnadelpunktionen oder auch Operationen zu vermeiden. „Bei der Punktion kann es zudem passieren, dass die Gewebeprobe im schlimmsten Fall aus Knoten-Arealen stanzt, die noch gutartig sind, während direkt daneben bereits krankhaft verändertes Gewebe wuchert. Die Sono-Elastographie hingegen liefert ein exaktes Ergebnis“, sagt DEGUM-Experte Professor Tilman Rohrer von der Klinik für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie am Universitätsklinikum des Saarlandes.

Doch wie funktioniert die Sono-Elastographie? Und warum ermöglicht sie so genaue Ergebnisse bei der Diagnostik von Schilddrüsenknoten? „Der behandelte Arzt übt mit dem Ultraschallkopf einen sanften Druck auf die Schilddrüse aus, so dass die Verformbarkeit des Knotens genau entdeckt und durch ein spezielles Computerprogramm vermessen wird“, erläutert Bojunga. „Das ganze Areal wird dann plakativ farblich am Bildschirm dargestellt. Wenn sich vorwiegend Grünanteile zeigen, liegt ein weicher Knoten vor, der in etwa 97 bis 99 Prozent der Fälle gutartig ist. Ein Großteil der Schilddrüsenknoten entpuppt sich glücklicherweise als gutartig und muss demzufolge weder punktiert noch operiert werden.

Aufgrund der so erfolgsversprechenden Diagnose bei Schilddrüsenknoten sollte die Ultaschall-Elastographie auch bei den kleinen Patientinnen und Patienten zukünftig häufiger zum Einsatz kommen. „So können wir das Risiko bei kindlichen Schilddrüsenknoten richtig einschätzen – und Eltern möglicherweise unnötige Sorgen nehmen sowie Kinder gegebenenfalls vor Operationen bewahren“, so Rohrer abschließend.

Literatur

1. Brignardello E, Corrias A, Isolato G et al. Ultrasound screening for thyroid carcinoma in childhood cancer survivors: a case series. J Clin Endocrinol Metab 2008; 93: 4840–4843.

2. Hayashida N, Imaizumi M, Shimura H et al. Thyroid ultrasound findings in a follow-up survey of children from three Japanese prefectures: Aomori, Yamanashi, and Nagasaki. Sci Rep 2015; 5: 9046.

3. Rivkees SA, Mazzaferri EL, Verburg FA et al. The treatment of differentiated thyroid cancer in children: emphasis on surgical approach and radioactive iodine therapy. Endocr Rev 2011; 32: 798–826.

www.medizinkommunikation.org

 


 

Ein Jahr nach der Einführung: Apps auf Rezept etablieren sich

Ärzt:innen sehen hohen Nutzen in vielen Bereichen / Studie der Stiftung Gesundheit zeigt Bremsfaktoren auf

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Forschungsleiter der Stiftung Gesundheit: Prof. Dr. Dr. Konrad Obermann.

Ein Jahr nach der Einführung sind verschreibungsfähige Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) auf dem Weg, ein etablierter Teil der Gesundheitsversorgung zu werden. Zu diesem Ergebnis kommt die repräsentative Studie „Ärztinnen und Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 2021/2“, die die Stiftung Gesundheit Mitte Dezember veröffentlicht hat. „Mehr als 80 Prozent der Ärzte sind mittlerweile mit den Apps auf Rezept vertraut“, berichtet Prof. Dr. Dr. Konrad Obermann, Forschungsleiter der Stiftung Gesundheit. „Und etwa jeder fünfte Arzt hat bereits praktische Erfahrungen mit diesem neuen Instrument gesammelt.“

Den Apps auf Rezept stehen Ärzt:innen grundsätzlich positiv gegenüber: Zwei Drittel von ihnen sind der Meinung, dass gezielt eingesetzte Apps überaus hilfreich sein können. Den größten Nutzen sehen Ärzt:innen derzeit bei Tagebuchanwendungen (82,7 Prozent), gefolgt von Apps zur Ernährungsberatung (77,3 Prozent), zur Aufzeichnung von Vitalparametern sowie zur Verhaltenskontrolle (jeweils 76,7 Prozent). Kritisch sehen sie dagegen einen Einsatz von DiGA in psychischen Anwendungsbereichen wie Depressionen oder Suchtverhalten: In diesen Bereichen halten weniger als 40 Prozent einen Einsatz für sinnvoll.

In der aktuellen Studie quantifiziert die Stiftung Gesundheit erstmals auch die Hürden, die den Einsatz von DiGA aus Sicht der Ärzte derzeit erschweren: „Mit rund 70 Prozent stehen hier datenschutzrechtliche Bedenken klar an der Spitze“, berichtet Obermann. Zudem hätten jeweils knapp die Hälfte der Responder Zweifel an der Wirksamkeit, Zweifel an der Patienten-Motivation oder bemängelten fehlende Testmöglichkeiten für Behandler:innen. Organisatorische Hürden dagegen stellten nur noch für knapp ein Drittel der Ärzt:innen ein Hemmnis dar: „Das spricht dafür, dass in diesem Bereich alle Beteiligten ihre Hausaufgaben gemacht haben“, so Obermann.

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Als größte Hemmnisse für den Einsatz von DiGA sehen Ärzt:innen neben Datenschatzbedenken Zweifel an der Wirkung sowie an der Motivation der Patient:innen, Apps auf Rezept zu nutzen.

Die aktuelle Studie ist Teil der Studienreihe „Ärztinnen und Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit“, mit der die Stiftung Gesundheit seit 2005 Trends und Entwicklungen im Gesundheitssektor untersucht. Für diese Ausgabe befragte die Stiftung Gesundheit ein repräsentatives Sample ambulant tätiger Ärzt:innen und Psychologischer Psychotherapeut:innen und verglich die Ergebnisse mit der Vorgängerstudie aus dem Jahr 2020.

Alle Ausgaben der Studienreihe finden Sie unter www.stiftung-gesundheit.de, Webcode „Forschung“.

 


 

Medscape Gleichstellungsreport 2021
60 % der Ärztinnen fühlen sich im Beruf benachteiligt

Corona hat die Job-Situation für Frauen weiter verschlechtert

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Bei der Gleichstellung von Ärztinnen und Ärztinnen besteht nach wie vor reichlich Verbesserungspotenzial. So gibt mehr als die Hälfte (60 %) der Ärztinnen an, sich im Job bereits als Frau benachteiligt gefühlt zu haben. In der Pandemie hat sich die Situation für Medizinerinnen noch verschlechtert, das zeigen die Ergebnisse des aktuellen Medscape-Reports, einer großen Umfrage, in der untersucht wurde, wie es um die Gleichstellung von Frauen und Männern im Arztberuf bestellt ist. Doch es gibt Grund zur Hoffnung: In einigen Bereichen wurden in den vergangenen Jahren auch Fortschritte erzielt.

Der aktuelle Medscape-Report zeigt, wie unterschiedlich Ärztinnen und Ärzte auch heute in Deutschland an ihrem Arbeitsplatz behandelt werden, gegen welche Probleme sie kämpfen – und wo kleine Fortschritte zu verzeichnen sind. An der Umfrage von Medscape, einem Portal für medizinisches Fachwissen, nahmen 1.040 in Deutschland lebende Ärztinnen und Ärzte teil, 500 davon waren Frauen, 534 Männer. Sie beantworteten einen ausführlichen Online-Fragbogen zum Thema Gleichstellung von Ärztinnen und Ärztinnen im Beruf.

Alteingefahrene Rollenmodelle bei der Kinderbetreuung

Wenig überraschend gaben 60 % der weiblichen Befragungsteilnehmer an, dass sie sich im Job als Frau bereits benachteiligt fühlten – im Vergleich zu lediglich 14 % der Männer. Die Rahmenbedingungen im Berufsalltag scheinen demnach für Ärztinnen deutlich schlechter zu sein als für Ärzte.

Weitere Aufschlüsse erlauben hier die Antworten zu den unterschiedlichen Sorgen im Job. So stören sich mehr Männer (16 %) als Frauen (10 %) am Einkommen, während Ärztinnen häufiger Karrierechancen vermissen (8 %) als Ärzte (3 %). Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Kindererziehung stellt Frauen häufiger vor Probleme (15 % vs. 7 %). Demnach scheint die Kinderbetreuung nach wie vor eher Aufgabe der Frauen zu sein. Ist beispielsweise ein Kind krank, schlagen die alteingefahrenen Rollenmodelle nach wie vor durch: Lediglich 3 % der Ärzte gaben an, sich selbst zu kümmern, im Vergleich zu 32 % der Ärztinnen. Die Antwort „Mein Partner:in“ wählten folglich 69 % der Männer und 23 % der Frauen.

Die offiziellen Statistiken deuten darauf hin, dass es bis zur Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern noch ein weiter Weg ist: Etwa zwei Drittel aller Medizinstudierenden sind heute Frauen – nach der Approbation schrumpft ihr Anteil bereits auf 48 %. Nur etwa 31 % aller Oberarzt-Positionen waren 2016 in weiblicher Hand und lediglich 13 % der Führungspositionen in der Universitätsmedizin waren 2019 mit Frauen besetzt.

Den vollständigen Report finden Sie hier unter:

http://medscape.com/de-gleichberechtigung-report-2021