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Medizin News

durch Klaus Lenser

Else Kröner Wiedereinstiegsförderung für forschende Ärztinnen und Ärzte nach Familienphase

Elternzeit, Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen: Für Ärztinnen und Ärzte, die eine längere Familien- oder Betreuungszeit in Anspruch genommen haben, ist die Rückkehr in die vorherige Karriere oft äußerst schwierig. Deshalb schreibt die Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) erstmalig flexibel und individuell einsetzbare Fördermittel in Höhe von bis zu jeweils 400.000 Euro aus – für einen effektiven Wiedereinstieg und die Fortsetzung einer erfolgreichen Karriere.

Aussichtsreich begonnene Karrieren in der Medizin können oftmals durch eine Unterbrechung der Berufstätigkeit für längere Familien- oder Betreuungsphasen nicht fortgeführt werden, weil der Forschungsstand sich fortentwickelt hat, das Labor nicht mehr routinemäßig funktioniert oder die familiäre Situation die vorherige Arbeitszeiteinteilung nicht mehr erlaubt.

Davon betroffen sind insbesondere Frauen in der Phase der Familiengründung. Dies wird als einer der Hauptgründe dafür angesehen, dass in der akademischen Medizin mit jeder Karrierestufe der Anteil von Frauen signifikant abnimmt. „Wir beobachten auch bei den Förderprogrammen der Stiftung, dass Familienphasen vor allem zu Nachteilen und geringeren Erfolgen bei Wissenschaftlerinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen führen“, erläutert Prof. Dr. Michael Madeja, Vorstandsvorsitzender der EKFS. Die Covid-19-Pandemie habe noch einmal zu einer weiteren Verschärfung dieses Ungleichgewichts zwischen den Geschlechtern geführt.

„Mit der Sonderausschreibung möchten wir einen Beitrag dazu leisten, dieses Karrierehindernis bei forschenden Ärztinnen zu erniedrigen. Außerdem ist es ein Beitrag für den Forschungsstandort Deutschland, denn wir können auf die hochqualifizierten und leistungsfähigen Frauen in der Wissenschaft nicht verzichten“, betont Prof. Dr. Madeja. Obwohl die Ausschreibung grundsätzlich auch für Ärzte offen ist, geht Madeja davon aus, dass sich fast ausschließlich Frauen als Hauptbetroffene erfolgreich um dieses Förderinstrument bewerben werden.

Bewerben können sich Ärztinnen und Ärzte, die bis spätestens 30. April 2024 in Klinik und Forschung zurückkehren wollen und dafür eine mindestens 80-Prozent-Stelle oder ein Stellenangebot haben und die mindestens 50 Prozent ihrer Arbeitszeit für Forschung aufwenden wollen und können. Bewerbungsskizzen können bis zum 30. April 2023 per E-Mail unter antrag-wissenschaft@ekfs.de eingereicht werden. Weitere Informationen unter: https://www.ekfs.de/wiedereinstiegsfoerderung

Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) – Forschung fördern. Menschen helfen.

Die gemeinnützige Else Kröner-Fresenius-Stiftung widmet sich der Förderung medizinischer Forschung und unterstützt humanitäre Projekte. Bis heute hat sie rund 2.300 Projekte gefördert. Mit einem jährlichen Fördervolumen von aktuell über 60 Millionen Euro ist sie die größte Medizin fördernde Stiftung Deutschlands. Weitere Informationen finden Sie unter: www.ekfs.de

Pressekontakt:

Original-Content von: Else Kröner-Fresenius-Stiftung,

 


 

 

Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)


Compliance bei verschiedenen Formen einer Testosterontherapie – Zehnjährige retrospektive Observationsstudie an 640 Patienten

 

Bochum, 24. Februar 2023:

Im Oktober 2022 publizierten Kang B. et al. im World Journal of Men´s Health (1) ihre Studienergebnisse über die Compliance während 10 Jahren bei unterschiedlichen Arten von Testosteronersatztherapie und über die Gründe für deren Beendigung nach. Beginn. Die retrospektive Observationsstudie erfolgte an der Pusan National University School of Medicine in Busan, Korea al seine Single Center Study. Unter den verschiedenen Therapieformen fand sich die höchste Compliance für die Injektion von 1000 mg Testosteronundecanoat (Handelsname in Deutschland Nebido®).

Methodik

Die Krankengeschichten von Männern im Alter von über 40 Jahren, bei denen wegen eines Testosteron-Defizienz-Syndroms (TDS) eine Hormonersatzbehandlung erfolgt war, wurden retrospektiv bei denjenigen untersucht, die über 10 Jahre verfolgt werden konnten.

Ergebnisse

Drei Viertel (75.9%) aller Patienten setzten die Therapie 1 Jahr nach Beginn fort. Die höchste Compliance-Rate fand sich bei Testosteronundecanoat-Injektion. Als häufigste Ursachen für das Absetzen  von Testosteron wurden Unbequemlichkeit, Beschwerlichkeit, Lästigkeit und Schwierigkeiten angegeben. Es folgten die Kosten (in Korea übernehmen die Krankenkassen – im Unterschied zu Deutschland – nicht die die Kosten für Nebido), Bedenken wegen Nebenwirkungen, Wirkungslosigkeit bzw. keine Besserung der Symptome. Die längste duchgehend eingehaltene Behandlungsperiode betrug im Mittel 15.4 +/- 7.6 Monate. Hohe Werte erreichte die Compliance, wenn das Testosteron vor Therapie niedrig war, bei schwerer erektiler Dysfunktion sowie bei Patienten, die Phosphodiesterase-5-Hemmer (Viagra u.a.) einnahmen.

Kommentar

Diese Ergebnisse decken sich weitgehend mit den Erfahrungen des Referenten (H.S.) während seiner Praxistätigkeit in den letzten beiden Jahrzehnten. Im DGE-Blog wurden seine Artikel über Nebido sehr lebhaft und kontrovers diskutiert (2,3). Dabei muss bedacht werden, dass meist nur diejenigen Kommentare schreiben, die negative Symptome an sich beobachteten, die in einem Teil der Fälle wohl auf eine ungenügende Spritztechnik zurückzuführen waren. Der größte Teil der Patienten ist mit der Nebido-Therapie zufrieden. Die zahlreichen Anfragen und Berichte im DGE-Blog zeigen aber, dass man individuell differenzialtherapeutische Überlegungen anstellen sollte.

Helmut Schatz

P.S.: Nach manchen Beiträgen im DGE-Blog mischten sich auch Stimmen aus der Bodybuilding- und Doping-Szene unter die Diskutanten, die demjenigen, der diese nicht oder nicht detaillierter kennt (wie auch der Referent) neue Welten eröffnen (4).

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss für medizinische Themen.

Literatur

(1) Kang M. et al.: Compliance with Testosterone Replacement Therapy in Patients with Testosterone Deficiency SAyndroome: A 10-Year Observational Study in Korea.
The World Journal of Men´s Health. 2022 Oct; 40(4):686-692.
https://doi.org/10.5534/wjmh.200174

(2) Helmut Schatz: Testosteron alle 3 Monate (Nebido®, in USA Aveed™): Gespaltene Meinung des Beraterkomitees der FDA für US-Zulassungsempfehlung wegen Nebenwirkungen nach Injektion. (296 Diskussionsbeiträge!)
DGE-Blogbeitrag vom 25. April 2013

(3) Helmut Schatz: Subkutane Testosteron-Injektion 1x wöchentlich bewirkt stabile Serumspiegel.
DGE-Blogbeitrag vom 7. November 2017

(4) Helmut Schatz: Insulin und Steroide in der Bodybuilding- und Doping-Szene: Diskussion nach unserem DGE-Blogbeitrag vom 11. Januar 2020

Publiziert am 24. Februar 2023 von Prof. Helmut Schatz
Dieser Beitrag wurde unter 
Allgemein abgelegt und mit Testosteron verschlagwortet. Permalink.



 


 

DEUTSCHE INTERDISZIPLINÄRE VEREINIGUNG
FÜR INTENSIV- UND NOTFALLMEDIZIN E.V.

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Premiere – Multiprofessionelle Präsidenten-Doppelspitze für DIVI23

Das Motto „Interdisziplinarität stärken – Multiprofessionalität leben!“ des diesjährigen Jahreskongresses der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) spiegelt sich direkt in einer neuen Personalstruktur: Neben Kongresspräsident Prof. Dr. med. Thorsten Brenner (links), Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Essen, wird es erstmals einen Co-Präsidenten geben, der speziell die Gesundheitsfachberufe vertritt: Klaus Notz, Leiter der Akademie der Kreiskliniken Reutlingen. Er wird die Pflegeinteressen noch stärker einbringen.

Die Pflege beteiligt sich schon seit 2008 intensiv am DIVI-Kongress und gestaltet eigene Programmpunkte. Auf diese Erfahrung und ein bewährtes Team im Hintergrund, unter anderem aus der Sektion Pflegeforschung, greifen wir selbstverständlich auch bei der Programmgestaltung des DIVI23 zurück“, so Notz. Durchgängig über alle drei Tage hinweg werde es ein Programm speziell für die Gesundheitsfachberufe geben, das gemeinsam mit der Ärzteschaft gestaltet wird.

Persönlich möchte sich Klaus Notz unter anderem dafür stark machen, dass gemeinsame Lösungen gegen den Fachkräftemangel und das Abwandern der Pflegekräfte in Dienstleistungsfirmen gefunden werden. „Die Intensivpflege sehe ich als Königsdisziplin!“, sagt der Co-Kongresspräsident. „Nirgends ist der Beitrag der Fachpflegekräfte zur Qualität der Patientenversorgung und zur Behandlungssicherheit so groß, wie auf einer Intensivstation, wo diese sehr eng mit Ärzten und Therapeuten zusammenarbeiten.“

Pflegeinteressen stärker vertreten, Multiprofessionalität leben

Die DIVI ist seit jeher eine interdisziplinäre und multiprofessionelle Dachgesellschaft und im Kongressprogramm zeigte sich das immer auch in adäquater Weise. Aber, und das war uns wichtig, in der Organisationsstruktur ist diese Interdisziplinarität und Multiprofessionalität eben ausschließlich durch den ärztlichen Kongresspräsidenten repräsentiert worden“, erklärt Kongresspräsident Thorsten Brenner. „Das wird sich mit dem DIVI23 ändern, sodass wir der Realität damit deutlich gerechter werden!“

Auch seinen infektiologisch-septischen Fachhintergrund wird Kongresspräsident Thorsten Brenner thematisch mit in die Programmgestaltung einfließen lassen, ist er in der DIVI doch ebenfalls der Sprecher der Sektion Systemische Inflammation und Sepsis.

Ein Ziel für 2023: mehr als 6.000 Teilnehmende in Hamburg

Notz und Brenner freuen sich sehr darauf, gemeinsam mit dem Kongressteam in den nächsten Wochen ein hochattraktives und erwartungsgemäß überaus abwechslungsreiches Programm für den DIVI23 zusammenzustellen, um an den großen Erfolg des DIVI22 anknüpfen zu können. In einem Punkt will man sogar noch mehr erreichen: „Neben der gewohnten wissenschaftlichen Exzellenz sind wir ehrgeizig und wollen erstmals die Marke von 6.000 Teilnehmern im Dezember knacken“, so beide Kongresspräsidenten. Gemeinsam scheint das aufgrund der neuen noch stärker multiprofessionellen Ausrichtung durchaus erreichbar zu sein.

Termin direkt notieren:

DIVI23
29. November bis 1. Dezember 2023
in Hamburg

Fotos: UDE/Frank Preuß und privat

 


 

Kognitiver Abbau bei Diabetes: Welche Rolle spielt der Blutzuckerspiegel?

DGP – Ein aktueller Übersichtsartikel hat sich mit den Auswirkungen einer chronischen Hyperglykämie auf die Gehirnstruktur und -funktionen beschäftigt. Zudem wurden die potenziellen Mechanismen, die dem kognitiven Rückgang bei Typ-2-Diabetes zugrunde liegen, evaluiert.

Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselerkrankung, die durch einen chronisch erhöhten Blutzuckerspiegel (Hyperglykämie) gekennzeichnet ist. Die Erkrankung kann zu einer Reihe von sekundären Komplikationen führen, die mehrere Organe im Körper betreffen, einschließlich Augen, Niere, Herz und Gehirn.

Die häufigste Auswirkung einer chronischen Hyperglykämie auf das Gehirn ist ein Rückgang der kognitiven Fähigkeiten. Schätzungen zufolge haben ca. 20 % – 70 % der Menschen mit Typ-2-Diabetes bereits kognitive Defizite. Chronische Hyperglykämie beeinträchtigt Schlüsselbereiche des Gehirns, die an Lernen, Gedächtnis und räumlicher Navigation beteiligt sind. Der genaue Mechanismus, der der kognitiven Beeinträchtigung bei Diabetes zugrunde liegt, ist bisher noch unzureichend erforscht. Es wird jedoch angenommen, dass ein gestörter Glukosestoffwechsel und eine abnormale Insulinfunktion eine wichtige Rolle spielen. Der kognitive Rückgang bei Menschen mit Typ-2-Diabetes bleibt häufig über mehrere Jahre unentdeckt. Bildgebende Studien deuten auf weitreichende Auswirkungen eines Typ-2-Diabetes auf verschiedene Gehirnregionen hin. Es bleibt unklar, ob der mit Diabetes verbundene kognitive Rückgang eine Folge der Hyperglykämie oder eine Komplikation ist, die gleichzeitig mit einem Typ-2-Diabetes auftritt.

Hyperglykämie führt zu geistigem Abbau

Es konnte in Studien bereits gezeigt werden, dass Hyperglykämie über zahlreiche Signalwege zu kognitiven Beeinträchtigungen führen kann. Diese sind vor allem Schäden an Blutgefäßen, Beeinträchtigungen der Blut-Hirn-Schranke, Fehlfunktionen der Mitochondrien, oxidativer Stress, Insulinresistenz, Neuroinflammation sowie eine Beeinträchtigung der Synapsen.

Ähnliche Signalwege bei Diabetes und kognitiven Beeinträchtigungen

Freie Radikale und reaktive Sauerstoffspezies (ROS) wurden als Haupttreiber des Zelltodes (Apoptose) von Nervenzellen bei diabetischen Mäusen identifiziert. Studien haben berichtet, dass ROS und der daraus resultierende oxidative Stress eine zentrale Rolle beim Zelltod von Nervenzellen spielen. Zudem konnten Überschneidungen zwischen den biologischen Signalwegen, die Diabetes und kognitive Beeinträchtigungen antreiben, aufgezeigt werden.

Aufklärung molekularer Signalwege eröffnet neue Behandlungsmöglichkeiten

Die Gehirnfunktion ist eng mit dem Glukosestoffwechsel verbunden und Typ-2-Diabetes ist mit einer reduzierten kognitiven Leistungsfähigkeit assoziiert. Laut der Studienautoren gibt es hierbei zahlreiche Überschneidungen. Ein chronisch erhöhter Blutzuckerspiegel verursacht eine Fehlregulation mehrerer extrazellulärer und intrazellulärer Signalkaskaden im zentralen Nervensystem, was zu einer verminderten neuronalen und synaptischen Funktion und als Folge zu einem Anstieg des Zelltodes von Nervenzellen führt. Ein Verständnis dafür, wie die jeweiligen molekularen Signalwege sich gegenseitig beeinflussen, ist entscheidend für die Entwicklung zukünftiger medikamentöser Interventionsstrategien für diabetesbedingte kognitive Dysfunktion, so der Ausblick der Studienautoren. Bei Typ-2-Diabetes sei jedoch zum Erhalt der kognitiven Leistung eine möglichst gute Blutzuckerkontrolle wesentlich.

Quelle:


Gupta M, Pandey S, Rumman M, Singh B, Mahdi AA. Molecular mechanisms underlying hyperglycemia associated cognitive decline. IBRO Neurosci Rep. 2022 Dec 13;14:57-63. doi: 10.1016/j.ibneur.2022.12.006. PMID: 36590246; PMCID: PMC9800261.

 


 

Wegweisende Studie zur „Antibabypille für den Mann“ – Bayreuther Biochemiker an der Wirkstoff-Identifizierung beteiligt

Eine neue, in „Nature Communications“ veröffentlichte vorklinische Studie ist wegweisend für die Entwicklung einer „Antibabypille für den Mann“: einer Tablette, die vom Mann vor dem Sexualverkehr eingenommen wird und eine Schwangerschaft der Frau verhindert. US-amerikanische Forscher*innen haben in Tierversuchen erfolgreich einen biochemischen Mechanismus getestet, der die Spermien des männlichen Partners vorübergehend unfruchtbar macht. Einer der Ko-Autoren dieser Studie, der Bayreuther Biochemiker Prof. Dr. Clemens Steegborn, war wesentlich an vorangegangenen Studien beteiligt, die den für diesen Mechanismus entscheidenden Wirkstoff identifiziert haben.

Entscheidende biochemische Vorstudien zu sAC-Inhibitoren

Das Forschungsteam von Steegborn an der Universität Bayreuth befasst sich schon seit vielen Jahren aus biochemischer Perspektive mit der löslichen Adenylylcyclase (sAC). Dieses Enzym produziert bei vielen physiologischen Vorgängen cAMP (cyclisches Adenosinmonophosphat), einen für die Signalübertragung in Säugetieren unentbehrlichen Botenstoff. Auch für die Signalübertragung im Zusammenhang mit Fortpflanzungsprozessen wird cAMP benötigt. Infolgedessen ist die Aktivierung der sAC, die diesen Botenstoff synthetisiert, eine entscheidende Voraussetzung für die Beweglichkeit und Reifung der Spermien und somit auch für deren Fähigkeit, bis zur Membran der weiblichen Eizelle vorzudringen. Daher hängt die Fruchtbarkeit der Spermien wesentlich davon ab, dass das Enzym sAC aktiv ist.

Im November 2022 veröffentlichten Steegborn und Forscher*innen in den USA, die jetzt federführend an der vorklinischen Studie mitgewirkt haben, eine gemeinsame Untersuchung zu sAC-Inhibitoren. Dies sind Wirkstoffe, welche die Aktivität der sAC signifikant verringern oder vollständig hemmen. Mit dem Ziel, die biochemischen Voraussetzungen eines nicht-hormonellen Verhütungsmittels für Männer auszuloten, wurden bekannte sAC-Inhibitoren daraufhin analysiert, wie gut sie imstande sind, die Fruchtbarkeit von Spermien bei Bedarf zuverlässig zu unterdrücken. Tatsächlich gelang es in enger transatlantischer Zusammenarbeit, einen sAC-Inhibitor zu identifizieren, der hierfür besonders vorteilhafte Eigenschaften mitbringt: den Inhibitor TDI-11861. Wie sich herausstellte, eignet sich dieser Wirkstoff für die Entwicklung eines nicht-hormonellen Verhütungsmittels sogar noch besser als der Inhibitor TDI-10229. Diesen sAC-Inhibitor hatten Steegborn und das US-amerikanische Forschungsteam in einer früheren Arbeit, die im Juli 2021 erschienen war, als möglichen Wirkstoff eines solchen Verhütungsmittels vorgeschlagen.

Erfolgreiche vorklinische Versuchsreihen

Die in den letzten Jahren publizierten Untersuchungen bilden nun die Grundlage für die neue vorklinische Studie: An der medizinischen Fakultät der Cornell University (Weill Cornell Medicine) wurde die Wirkungsweise von sAC-Inhibitoren an männlichen Mäusen getestet. Die Versuchsreihen bestätigen die starke empfängnisverhütende Wirksamkeit. Dabei kann TDI-11861 die Fruchtbarkeit der Spermien noch effektiver unterdrücken als TDI-10229. Nach einer einzigen Injektion von TDI-11861 liegt die empfängnisverhütende Wirkung während der folgenden zweieinhalb Stunden bei 100 Prozent. Drei Stunden nach der Injektion beginnen einige Spermien wieder beweglich zu werden. Gleichwohl liegt die empfängnisverhütende Wirkung in den dreieinhalb Stunden nach der Injektion immerhin noch bei 91 Prozent. 24 Stunden nach der Injektion ist die normale Fruchtbarkeit der Spermien wiederhergestellt. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Die männlichen Mäuse zeigten während der sechs Wochen, in denen ihnen sAC-Inhibitoren verabreicht wurden, keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Weitere Entwicklungsschritte und ein neues Start-up in den USA

Die Forscher*innen in New York City werden ihre vorklinischen Experimente zunächst in einem zweiten Tiermodell weiterführen. Zugleich wollen sie TDI-11861 unter einigen Detailaspekten noch weiter verbessern und optimierte Derivate dieses Wirkstoffs herstellen. Sollten auch die weiteren Versuche erfolgreich verlaufen und die bis dahin erreichten Erkenntnisse bestätigen, wären die Voraussetzungen für erste klinische Versuche gegeben, in denen die Wirkung der sAC-Inhibitoren auf die Beweglichkeit von Spermien gesunder Männer getestet wird. Um die Entwicklung eines Verhütungsmittels gezielt voranzutreiben, haben Steegborn und fünf US-amerikanische Forscher im August 2022 das Start-up-Unternehmen „Sacyl Pharmaceuticals“ mit Sitz in der Region New York City gegründet.

Forschungsbeiträge aus Bayreuth für ein dringend benötigtes Kontrazeptivum

Als wirkungsvolle Verhütungsmethoden stehen Männern bis heute nur Kondome oder ein sterilisierender chirurgischer Eingriff, die Vasektomie, zur Verfügung. Hormonfreie Kontrazeptiva werden daher dringend benötigt und nachgefragt. Unsere neue vorklinische Studie stellt eine entscheidende Wegmarke für die Entwicklung eines hormonfreien Verhütungsmittels dar, das zudem den Vorteil hat, dass es kurzfristig bei Bedarf in Tablettenform eingenommen werden kann. Es steht jetzt fest, dass die sAC-Inhibition bei dieser Form der Schwangerschaftsverhütung eine Schlüsselfunktion hat. Zur Aufklärung der biochemischen Grundlagen konnten wir von Bayreuth aus in den letzten Jahren wichtige Beiträge leisten“, sagt Prof. Dr. Clemens Steegborn und fügt hinzu: „Ausgangspunkt unserer Forschungsarbeiten an der Universität Bayreuth war die Frage, wie sich die Synthese des Botenstoffs cAMP – der für die Signalübertragung in allen Säugetieren zentral ist – durch eine Regulierung der löslichen Adenylylcyclase sAC beeinflussen lässt und welche pharmazeutischen Möglichkeiten sich daraus ergeben könnten. Diese Zusammenhänge werden wir in Zukunft weiterhin untersuchen. Dabei denken wir auch an mögliche Chancen für die Prävention und Behandlung von Erkrankungen, beispielsweise durch eine gezielte Beeinflussung des Augendrucks oder der Insulinfreisetzung.“

Die neue vorklinische Studie:

Melanie Balbach et al.: On-demand male contraception via acute inhibition of soluble adenylyl cyclase. Nature Communications (14 February 2023), https://www.nature.com/articles/s41467-023-36119-6 DOI: 10.1038/s41467-023-36119-6

Michael Miller et al.: Design, Synthesis, and Pharmacological Evaluation of Second-Generation Soluble Adenylyl Cyclase (sAC, ADCY10) Inhibitors with Slow Dissociation