Größte Datenbank zu Corona-Maßnahmen online
Technische Universität München
Eine Forschungsgruppe hat die weltweit größte Datenbank zu politischen Entscheidungen zur Corona-Pandemie aufgebaut. In „CoronaNet“ sind Informationen über rund 50.000 Maßnahmen in 195 Staaten, teils bis zur kommunalen Ebene, abruf- und filterbar. Die Datenbank bietet damit eine hochdifferenzierte Grundlage für Regierungen, Wissenschaft und Medien, um die Wirkung der Pandemie-Politik zu analysieren. Geleitet wird die Gruppe an der Hochschule für Politik (HfP) an der Technischen Universität München (TUM)..
Ein internationales Forschungsnetzwerk, koordiniert am Lehrstuhl für International Relations, Hochschule für Politik München an der TUM, hat deshalb die weltweit größte Datenbank zu politischen Entscheidungen zur Pandemie erstellt. „CoronaNet“ enthält inzwischen Informationen über mehr als 50.000 Maßnahmen, die Regierungen in 195 Ländern in Reaktion auf die Pandemie beschlossen haben. Die Datenbank wird von derzeit mehr als 500 Forschenden und Studierenden laufend ergänzt.
Das Material ist nicht nur umfassender, sondern auch deutlich differenzierter als andere Datensätze. Erfasst werden die einzelnen Maßnahmen, die 18 Kategorien zugeordnet werden, zum Beispiel Social Distancing, Einschränkungen des Schulunterrichts oder Investitionen in das Gesundheitswesen
• der Zeitpunkt der Einführung der Maßnahmen und wie lange sie gelten
• ob die Entscheidung auf der nationalen, regionalen oder kommunalen Ebene getroffen wurde
• auf wen oder was die Maßnahmen angewendet werden, also ob beispielsweise Reisebeschränkungen für die einheimische oder die ausländische Bevölkerung bestimmt sind
• das Gebiet, für das die Maßnahmen angeordnet werden, etwa der Gesamtstaat oder nur einzelne Regionen
• ob die Maßnahmen Empfehlungen oder verpflichtend sind.
Sämtliche Daten stehen öffentlich auf www.coronanet-project.org zur Verfügung und können dort nach verschiedenen Kategorien gefiltert werden. Das ermöglicht eine enorme Bandbreite und Detailtiefe an Analysemöglichkeiten. So könnte etwa ermittelt werden, welche Ausgangsbeschränkungen Südkorea im Vergleich zu Singapur erlassen hat oder ob die Covid-Testmaßnahmen in Kalifornien von der Regierung des Bundesstaats oder in Washington beschlossen wurden. Mit einem Dashboard lassen sich die Zeitverläufe der abgefragten Entscheidungen visualisieren. Ergänzend hat die Forschungsgruppe zahlreiche Übersichtsartikel zu einzelnen Staaten verfasst.
Die Daten können auch exportiert werden – für Nutzerinnen und Nutzer, die wenig Erfahrung mit Statistikprogrammen haben, stellt „CoronaNet“ eigens eine Lernplattform bereit.
Originalpublikation:
Cheng, Cindy et al. COVID-19 Government Response Event Dataset (CoronaNet v1.0). Nature Human Behaviour (2020). https://doi.org/10.1038/s41562-020-0909-7
Büthe, Tim et al. Patterns of Policy Responses to the COVID-19 Pandemic in Federal vs. Unitary European Democracies (September 7, 2020). http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3692035
Barceló, Joan et al. Suppression and Timing: Using COVID-19 Policies Against Political Dissidents? (November 12, 2020). https://doi.org/10.31235/osf.io/yuqw2
Weitere Informationen:
http://www.coronanet-project.org CoronaNet
https://socialsciences.nature.com/posts/behind-coronanet-how-we-built-our-datase… Erfahrungsbericht “Behind CoronaNet: How we built our dataset”
Aktuelle Stellungnahme der Gesellschaft für Virologie (GfV) zur Molekularen Surveillance durch Sequenzierung von SARS-CoV-2 in Deutschland
21.01.2021
Die rasche Ausbreitung neuer SARS-CoV-2 Varianten in England (B1.1.7 oder variant of concern (VOC) 202012/01) und Südafrika (B.1.351, auch bekannt als 501.V2 Variante), die sich hinsichtlich ihres Genoms deutlich von bisher zirkulierenden Varianten unterscheiden, wirft die Frage auf, ob diese Varianten auch in Deutschland verbreitet sind.
In der Variante B1.1.7 finden sich 8 Mutationen, die zu Aminosäureaustauschen im Spikeprotein (S) von SARS-CoV-2 führen, die möglicherweise eine Veränderung der biologischen Eigenschaften von S mit sich bringen. Ein wichtiger Aminosäureaustausch findet sich im Rezeptorbindemotiv1 von S an Position 501 (N501Y). Diese Mutation könnte alleine oder in Kombination mit anderen Mutationen zu einer erhöhten Bindefähigkeit an den humanen Rezeptor ACE-2 führen2. Für eine weitere Mutation, eine Deletion, die zum Verlust der Aminosäuren an den Positionen 69 und 70 führt, wurde in einer Vorveröffentlichung eine Erhöhung der Infektiosität des Virus in Zellkulturen gezeigt3.
Die Variante B.1.351, die in Südafrika nachgewiesen wurde, enthält ebenfalls 8 Mutationen, die zu Aminosäureaustauschen in S von SARS-CoV-2 führen. Zwei dieser Mutationen befinden sich im Rezeptorbindemotiv (E484K und N501Y)4. Erste Studien legen nahe, dass diese Mutationen nur einen sehr geringen Effekt auf die Neutralisation durch Antikörper, die in Folge einer Impfung mit einer mRNA Vakzine entstehen, haben. Allerdings scheinen diese Mutationen die Bindung von einigen Antikörpern, die für die Therapie entwickelt werden, zu beeinträchtigen5,6.
Das Konsiliarlabor für Coronaviren hat gegenwärtig 1126 Genomsequenzen von SARS-CoV-2 aus allen Teilen Deutschlands analysiert7. Es wurden mittlerweile sowohl die Variante B1.1.7 als auch die Variante B1.351 gefunden. Allerdings kann über die mögliche Verbreitung dieser Varianten in Deutschland bisher Nichts gesagt werden.
Die Sequenzierung gesamter Virusgenome und die bioinformatische Auswertung sind zeitaufwendige Prozesse, für die spezifische Infrastrukturen erforderlich sind, die aber nicht überall vorhanden sind. Deshalb werden aktuelle Geschehnisse nur unzureichend erfasst. Eine Alternative stellen PCR-Verfahren zum gezielten Nachweis der neuen SARS-CoV-2 Varianten dar, um die Verbreitung bzw. Ausbreitung dieser Varianten durch die Testung großer Probenzahlen effizient erfassen zu können. Daneben gibt es intensive Bestrebungen, die Rahmenbedingungen für die Virusgenomsequenzierung und damit die molekulare Surveillance für SARS-CoV-2 in Deutschland zu verbessern.
Nach einer vorläufigen Risikoeinschätzung des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), basierend auf mathematischer Modellierung8, weist die neue Variante B1.1.7 möglicherweise eine bis zu 56 Prozent höhere Übertragungsrate auf als bisher zirkulierende SARS-CoV-2 Varianten9. Eine Studie aus Großbritannien, die noch keiner Fachbegutachtung unterzogen wurde, weist ebenfalls auf eine höhere Infektionsrate der SARS-CoV-2 Variante B1.1.7 hin10. Diese Einschätzung muss jedoch in weiteren Untersuchungen überprüft werden. Die GfV weist ferner darauf hin, dass eine raschere Ausbreitung von SARS-CoV-2 nicht notwendigerweise mit schwereren Krankheitsverläufen einhergehen muss. Sie macht aber nochmals deutlich, dass die Einhaltung von Hygienemaßnahmen und Kontaktverringerung dringlich geboten ist. Gleichzeitig zeigt das Auftreten von Virusvarianten, dass die Bemühungen um eine systematische molekulare Surveillance in Deutschland dringend verstärkt werden sollten.
Mutationen in SARS-CoV-2 können im Prinzip sowohl Folgen für die Wirksamkeit von Impfstoffen, als auch für die Therapie mit Antikörpern haben. Eine erste Studie hat gezeigt, dass Seren von 20 Teilnehmern der bereits veröffentlichten Phase-3-Studie des BioNTech/Pfizer Impfstoffs BNT162b2 (Comirnaty) einen SARS-CoV-2 Virus mit einer Mutation an Position 501 (eine Schlüsselmutation der B1.1.7 Variante) im gleichen Ausmaß wie das Virus ohne diese Mutation neutralisierten. Zu möglichen Effekten von Kombinationen von Mutationen, wie sie in den o.g. Varianten gefunden wurden, gibt es bisher nur sehr vorläufige Untersuchungen. Einer noch nicht begutachteten Veröffentlichung zufolge, könnten die Mutationen in der B.1.351 Variante aus Südafrika die Wirksamkeit neutralisierender Antikörper im Serum von Personen, die zuvor eine Infektion mit dem ursprünglichen SARS-CoV-2 durchgemacht haben, deutlich mindern11. Das könnte bedeuten, dass diese Personen ein Risiko für eine Re-Infektion mit der Südafrika Variante haben. Außerdem liefert diese Studie vorläufige Evidenz dafür, dass diese Mutationen die Wirksamkeit therapeutischer S-spezifischer Antikörper zum Teil deutlich reduzieren. Diese Beobachtungen müssen jedoch als vorläufig bewertet und in weiterführenden Studien bestätigt werden. Sie machen jedoch die Dynamik von SARS-CoV-2 und damit die Notwendigkeit der schnellen Kontrolle der Pandemie sehr deutlich, um das Risiko für die Entstehung weiterer Varianten möglichst gering zu halten.
Der Vorstand der Gesellschaft für Virologie
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1 Bereich an der das SARS-CoV-2 an seinen humanen Rezeptor ACE-2 bindet
2 Zahradník et al.: 2021: doi: https://doi.org/10.1101/2021.01.06.425392
3 Kemp et al., 2021: doi: https://doi.org/10.1101/2020.12.14.422555
4 Tegally et al., 2020: doi: https://doi.org/10.1101/2020.12.21.20248640
5 Starr et al., 2020: https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2020.11.30.405472v1
6 Wang et al., 2021: doi: https://doi.org/10.1101/2021.01.15.426911
7 https://civnb.info/sequences/ (Stand 19.01.2021)
8 https://cmmid.github.io/topics/covid19/uk-novel-variant.html
9 Risk related to spread of new SARS-CoV-2 variants of concern in the EU/EEA; 29.12.2020; page 11
10 Walker et al., 2021: doi: https://doi.org/10.1101/2021.01.13.21249721
11 Wibmer et al., 2021: doi: https://doi.org/10.1101/2021.01.18.427166
Mehr: http://www.g-f-v.org