Wenn wir nicht handeln, gefährden wir eine sichere Arzneimittelversorgung“
Steigende Preise bei Rohstoffen und Energie, fragile Lieferketten in Folge von Pandemie und Krieg, immer höher werdende bürokratische Anforderungen an die forschende Pharmaindustrie und gleichzeitig eine Politik, die einen zunehmenden Preisdruck auf Arzneimittel ausübt: Dass das auf Dauer für Unternehmen nicht funktionieren kann, machte Dr. Hans-Georg Feldmeier, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI), auf einer Pressekonferenz deutlich.
„Die Energiepreise waren im September 2022 im Durchschnitt rund 130 Prozent höher als im Vorjahresmonat. Für Erdgas zahlt die Industrie beispielsweise mehr als dreieinhalb Mal so viel wie im Vorjahr“, so Dr. Feldmeier. Auch die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte waren laut Statistischem Bundesamt im September 2022 um fast 46 Prozent höher als im Vergleichszeitraum von 2021. Diese Entwicklungen treffen alle Industriezweige. Aber in unterschiedlichem Ausmaß: Die Pharmabranche kann – aufgrund einer Vielzahl gesundheitspolitischer Preisregulierungen und Kostendämpfungsmaßnahmen – als einzige Branche ihre steigenden Kosten kaum weitergeben.
Es brauche „nicht alle Semester Betriebswirtschaftslehre“, um zu verstehen, wohin das führt, findet BPI-Chef Dr. Feldmeier: zur Auslistung von Produkten – und damit zu Lieferengpässen. „Unsere Mitgliedsunternehmen berichten vermehrt, dass sie ihre Portfolios überprüfen und unwirtschaftliche Produkte bereinigen müssen.“ Schwierig ist die aktuelle Situation unter anderem für standortorientierte, oft familiengeführte Traditionsunternehmen, die die Grundversorgung sichern. Schlimmstenfalls drohen Versorgungsengpässe für die Patient:innen. „Um dies zu verhindern, bedarf es einer flexiblen und an der aktuellen Inflation orientierten Möglichkeit, die Preise anzupassen.“ Insbesondere „versorgungsrelevante Arzneimittel“ müssten von Maßnahmen wie einem „Preisstopp“ ausgenommen werden, so die Forderung.
Pharmabranche: Teil der Lösung
Zumal, auch das betonte Dr. Feldmeier erneut, die Pharmabranche kein „Kostentreiber“ sei: Der Anteil der pharmazeutischen Hersteller an den Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) liegt laut den BPI-Pharma-Daten bei rund 11 Prozent. Der Anteil der Arzneimittel – inklusive Distribution über Apotheken und Großhandel sowie Mehrwertsteuer – ist seit vielen Jahren ziemlich stabil: 2021 waren es über 16 Prozent, genauso wie rund 50 Jahre zuvor. Dr. Feldmeier will seine Branche als Teil der „Lösung“ verstanden wissen. „Eine sichere Gesundheitsversorgung hat sicherheitspolitische Relevanz“, sagt er. Die Gesundheitswirtschaft gehöre zur kritischen Infrastruktur. COVID-19 hat das gezeigt – Stichwort Impfstoffe, Arzneimittel, Diagnostika.
BPI-Pressesprecher Andreas Aumann (links) und BPI-Chef Dr. Hans-Georg Feldmeier. Foto: Pharma-Fakten
Unbeirrt der Pandemieerfahrungen hat die Bundesregierung mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz kürzlich ein Sparpaket geschnürt, das die pharmazeutische Industrie überproportional belastet; das die finanziellen Daumenschrauben noch enger anzieht – trotz aktueller Krisen, trotz Inflation, trotz bestehenden Preisdrucks (s. Pharma Fakten). Dr. Feldmeier hofft „sehr, dass dieses gesamte Paket nochmal aufgeschnürt wird.“ Apothekerschaft, Mediziner:innen, Industrie: Eigentlich kennt das Gesetz nur Kritiker:innen. „Sowas habe ich in dieser Form noch nie erlebt“, so der BPI-Chef. Mögliche Ursache für den starken Gegenwind? Über das Gesetz sei vorher „kein demokratischer Fachdialog“ geführt worden. Fachexpertise sei wichtig – Verbände wie der BPI können Beratung geben. „Aber das funktioniert nicht, wenn man diesen Dialog nicht führt.“
Dr. Feldmeier setzt auf weiteren Austausch mit der Politik. „Für uns steht fest: Eine gute und sichere Arzneimittelversorgung ist möglich – wenn der politische Wille da ist. Jetzt ist die Zeitenwende – jetzt ist die Zeit zum Handeln!“
Weiterführende Links:
Pressemeldung vom 24.11.2022 zur BPI-Hauptversammlung: „Zeitenwende – Zeit zum Handeln!“