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durch Klaus Lenser

Ein Vlies, das Chemotherapeutika direkt im Hirn freisetzt

Ein Team der Neurochirurgie am Uniklinikum Würzburg entwickelt gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC) ein neuartiges innovatives Verfahren zur lokalen Chemotherapie von Glioblastomen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 1,6 Millionen Euro gefördert.

Das Glioblastom ist der häufigste und zugleich aggressivste Hirntumor im Erwachsenenalter. Etwa 3.000 Menschen in Deutschland erkranken jedes Jahr daran. Ihnen verbleiben im Schnitt 14 bis 15 Monate Lebenszeit. Charakteristisch für diesen Tumor ist, dass er unkontrolliert in das gesunde Hirngewebe infiltriert. „An den Rändern des ehemaligen Resektionsbereiches entstehen regelhaft Tumorrezidive, die von der Infiltrationszone des Tumors ausgehen. Das heißt, wenn wir den Tumor nach derzeitigem Therapiestandard behandeln, also operativ entfernen, den Bereich anschließend bestrahlen und über mehrere Wochen eine systemische Chemotherapie verabreichen, schaffen wir es aktuell nicht, alle Tumorzellen abzutöten“, erklärt Prof. Dr. Mario Löhr, Leitender Oberarzt der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik am Uniklinikum Würzburg.

Kieselgel-basierendes Faservlies zersetzt sich und gibt Therapeutika ab

Aufgrund der ungünstigen Prognose und zudem starken Nebenwirkungen der systemischen Chemotherapie haben Prof. Löhr und Prof. Dr. Carsten Hagemann, Leiter der Sektion Experimentelle Neurochirurgie in der Klinik, gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg ein Konzept für ein neuartiges innovatives Behandlungsverfahren entwickelt.

Da viele Therapeutika die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden und daher ineffektiv sind, haben wir überlegt, wie wir die Wirkstoffe lokal applizieren können, um so die Therapieeffizienz zu steigern“, schildert Carsten Hagemann. So entstand gemeinsam mit dem Fraunhofer ISC die Idee eines auf Kieselgel basierenden Faservlies. Basis dieses neuartigen Drug Delivery Systems ist ein am Fraunhofer ISC entwickeltes Vlies, das bereits medizinisch zugelassen ist. Das Material löst sich im Verlauf der Wundheilung nach sechs bis acht Wochen vollständig auf. „Wir freuen uns sehr, wenn unser Material auch bei der Therapie von Glioblastomen helfen kann“ erklärt Dr. Sofia Dembski, die Leiterin des Teams Biomaterialien am Fraunhofer ISC. Dieses Vlies wird von Fraunhofer-Forschern mit Chemotherapeutika modifiziert und kann danach in die Resektionshöhle eingesetzt werden, also an den ursprünglichen Ort des Tumors. „Die resorbierbaren Kieselgel-Fasern lassen sich einfach an den Resektionsbereich anpassen, zersetzen sich im Laufe der Zeit und geben so konstant die Wirkstoffe lokal ab. Auf diese Weise könne die Konzentration von Chemotherapeutika direkt ihre maximale Wirksamkeit entfalten und ein erneutes Tumorwachstum hemmen, so Hagemann.

Das Team der Würzburger Neurochirurgie, das sich auf die Erforschung von Hirntumoren spezialisiert hat, im speziellen ausgerichtet auf Tumorimmunologie, molekulare Grundlagen gutartiger und bösartiger Hirntumoren bis hin zu innovativen Therapiemethoden, wird dieses Drug Delivery System zunächst an in vitro- und ex vivo-Modellen auf Effektivität validieren. Anschließend ist geplant, in einer tierexperimentellen Studie das lokale zytostatische Wirkstofffreisetzungssystem im Organismus zu untersuchen und so zu prüfen, ob das sog. GlioGel das Überleben verlängern kann.

Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung

Die Idee hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung überzeugt. Es fördert seit November 2022 das Projekt mit insgesamt 1,6 Millionen Euro. Offizieller Titel: Lokale Chemotherapie von Glioblastomen durch den Einsatz neuartiger flexibler Wirkstoffträger – GlioGel.



Weitere Informationen:

https://www.ukw.de/fileadmin/uk/presse/adventskalender/2022/20-AK-Neurochirurgie… Das Team aus der Neurochirurgie am Uniklinikum Würzburg stellt im digitalen Adventskalender „Forschende öffnen ihre Türchen“ das BMBF-geförderte Projekt GlioGel (Lokale Chemotherapie von Glioblastomen durch den Einsatz neuartiger flexibler Wirkstoffträger) vor. Der Film und viele weitere aus der bunten Palette an Forschungsprojekten im UKW können auf www.ukw.de/advent geöffnet werden.

 


 

 

Neues Medikament gegen metastasierten Prostatakrebs nun auch in Europa zuglassen

Die europäische Kommission hat am 13. Dezember 2022 einem Medikament gegen metastasierten Prostatakrebs die Zulassung erteilt, dessen Wirkstoff federführend vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Heidelberg und der Universität Heidelberg entwickelt wurde. Das Medikament kann die Überlebenschancen der Betroffenen erheblich verbessern. Die dem Medikament zugrundeliegende patentierte Erfindung sei ein herausragendes Beispiel für den Transfer exzellenter Forschungsergebnisse in die klinische Anwendung, so DKFZ-Vorstand Michael Baumann.

Das Medikament, das auf dem Wirkstoff Lutetium-177 PSMA-617 basiert, wurde am 13.12.2022 von der europäischen Kommission zugelassen für die Behandlung von metastasiertem Prostatakrebs, der das Oberflächenmolekül PSMA (prostataspezifisches Membran-Antigen) trägt. Bereits im März dieses Jahres hatte das Medikament die FDA-Zulassung für die USA erhalten. Die Zulassung ist beschränkt auf Patienten, die zuvor bereits eine Chemotherapie erhalten hatten und die nicht auf Hormonentzug ansprechen. Zulassungsinhaberin ist die Firma Novartis.

Dazu erklärt Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger:
„Durch exzellente und interdisziplinäre Forschung ist es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am DKFZ, dem Universitätsklinikum und der Universität Heidelberg gelungen, einen neuen Wirkstoff gegen Prostatakrebs zu entwickeln. Das ist ein großartiger Erfolg für die deutsche Krebsforschung, mit dem hoffentlich vielen Patienten geholfen werden kann. Hier zeigt sich beispielhaft das enorme Potenzial unserer Forschungslandschaft. Dabei ist der schnelle und erfolgreiche Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis der Schlüssel für eine bessere Zukunft.“

Männer mit fortgeschrittenem Prostatakrebs haben derzeit kaum noch aussichtsreiche Behandlungsoptionen. Dass diese Betroffenen nun endlich auch in Deutschland von Lutetium-177 PSMA-617 profitieren können, ist ein großer Erfolg für das DKFZ. Unsere Mission ist es, mit exzellenter Grundlagenforschung Wissen und Lösungen für die klinische Praxis zu liefern. Mit der Erfindung von Lutetium-177 PSMA-617 ist unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein herausragendes Beispiel für diesen Transfer gelungen“, sagt Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des DKFZ.

Die Erfinder haben das klinische Potenzial des Wirkstoffs erkannt und gezielt die präklinische Entwicklung vorangetrieben. Wir haben früh die Rechte gesichert und nach Partnern in der pharmazeutischen Industrie gesucht, die die Weiterentwicklung zum Medikament übernommen haben. Diese konsequente Ausrichtung auf den Transfer zahlt sich nun aus – vor allem anderen auch für die betroffenen Patienten“, sagt Ursula Weyrich, Kaufmännischer Vorstand des DKFZ.

Das von DKFZ, Universität Heidelberg und Universitätsklinikum Heidelberg erfundene und patentierte Lutetium-177 PSMA 617 wurde zunächst durch die ABX GmbH in Radeberg in klinische Studien gebracht und anschließend von Novartis bis zur Zulassung entwickelt. Die Zulassungen in den USA und der EU sind ein wichtiger gemeinschaftlicher Beitrag der genannten Partner im Kampf gegen Krebs. Derzeit wird bereits mit weiteren klinischen Studien geprüft, ob Lutetium-177 PSMA-617 auch Patienten mit metastasiertem Prostatakrebs, die zuvor noch keine Chemotherapie erhalten haben, einen Überlebensvorteil bringt.

Prostatakrebs ist mit 70.000 Neuerkrankungen/Jahr die häufigste Krebserkrankung und die zweithäufigste Krebstodesursache bei Männern in Deutschland. Ist der Tumor bei der Diagnose noch auf die Prostata beschränkt, so liegt die Wahrscheinlichkeit, die ersten fünf Jahre nach der Diagnose zu überleben, nahezu bei 100 Prozent, bei metastasierten Tumoren dagegen nur bei 30 Prozent.

Bei Lutetium-177 PSMA-617 handelt es sich um einen mit radioaktivem Lutetium-177 gekoppelten Liganden, der an das Prostata-spezifische Membranantigen, kurz PSMA, passgenau andocken kann. Die Mehrzahl aller Prostatakrebszellen trägt das Glykoprotein PSMA auf ihrer Zellmembran, im übrigen Körper kommt es dagegen kaum vor. Die Krebszellen nehmen den Wirkstoff ins Zellinnere auf, so dass er sich in den Tumoren anreichert und von innen heraus seine tödliche Strahlendosis abgibt. Das macht die Wirkung der Therapie besonders präzise und zielgenau.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (
KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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